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Fulminantes Konzert:
Konzert - Rezension "Musicalballads unplugged" Mark Seibert

Am 17. September 2011 präsentierte Mark Seibert erstmals sein Soloprogramm „Musicalballads unplugged" in Filderstadt. In dem mit ca. 500 Zuschauern fast ausverkauften Großen Saal der Filharmonie erlebten die Besucher ein musikalisches Event, bei dem eigentlich nur der Titel nicht ganz passte. Denn abseits der ausgetretenen Pfade vieler Musicalgalas bot ein stimmlich hervorragender Mark Seibert einen gelungenen Mix aus den unterschiedlichsten Genres von Rock und Pop über Musicals bis hin zur Filmmusik. Ein Konzert, in dem man wenig Übliches, dafür um so mehr Besonderes zu hören bekam.

Der Opener „You'll be in my Heart" aus Disneys "Tarzan", mit dem auch die ebenfalls „Musicalballads unplugged" titulierte Solo-CD des Künstlers beginnt, sollte eine der wenigen bekannten, klassischen Musicalballaden bleiben.

Stolz sei er, so Mark Seibert bei der Begrüßung des Publikums, aber doch auch ziemlich nervös. Vermutlich deshalb gab es bei „I can't stand still" aus „Footloose" nur wenig Bewegung, auch beim folgenden „Sunset Boulevard" war die Interpretation eher verhalten und die Kopfstimme teils noch ein wenig wackelig. Diese kleinen Unsicherheiten am Anfang tun der Stimmung jedoch keinerlei Abbruch – und spätestens als Jubel das Ablegen der Jacke kommentiert und verstehendes Grinsen zwischen der Bühne und den Fans in den vorderen Reihen hin und her geht, fällt der letzte Rest Nervosität von ihm ab.

„No one but you" wird im Stück zwar von Ozzy gesungen, zählt aber dennoch, so verrät der derzeitige Berliner Galileo, zu seinen Lieblingsliedern in „We will rock you". Deutlich anzumerken ist Mark Seibert, wie sehr ihn sein Gespräch mit den Queen-Musikern Brian May und Roger Taylor über diesen Song und den Tod Freddie Mercurys bewegt hat. Seibert transferiert diese Emotionen in eine unglaublich einfühlsame Interpretation, wie im Stück mit dem deutschen Text „Du ganz allein" gesungen. Das erste Highlight des Abends, in dem er die warme, einschmeichelnde Facette seiner Stimme wunderbar zum Einsatz bringt. Die faszinierte Stille im Publikum löst sich erst nach dem allerletzten Ton in begeisterte Beifallsbekundungen. Diese Publikumsreaktion zieht sich – für einige sicher überraschend – durch das ganze Konzert: kein Dazwischenkreischen, kein lautes Gejohle, im Gegenteil. Man lauscht intensiv, taucht ein in eine besondere Atmosphäre, die sich im Verlauf des Abends immer mehr verdichtet und die recht unpersönliche Halle in einen intimen Konzertsaal verwandelt. Unterstützt wird dies von der sehr zurückgenommenen Beleuchtung. Mehr als ein paar rote und blaue Scheinwerfer und gelegentlich ein bisschen Nebel ist gar nicht nötig, um diese Stimmung zu untermalen, die ohne Bühnenbild und Showeffekte einzig aus der Musik heraus entsteht.

Mit dem nächsten Stück lädt Mark Seibert den ersten Gaststar des Abends zu sich auf die Bühne: Roberta Valentini („Wicked"). Das Duett „I will crumble" untermalte im Jahre 2003 „Wuthering Hights", eine Verfilmung des Romans „Sturmhöhe" – und beginnt mit einem Fehlstart. „Ich hab' den falschen Text gesungen" gibt Mark Seibert zu. Aber wie auch bei großen Rockkonzerten gibt's jetzt nicht etwa Pfiffe, sondern Lachen und freundliches Klatschen. Gemerkt hätte es mit Sicherheit eh' kaum jemand. Beide Stimmen harmonieren auch beim folgenden „Solang ich Dich hab" klanglich sehr schön. Danach überrascht Roberta Valentini solo mit einem mitreißenden „Grenade" – im Original von Bruno Mars. Eine tolle Künstlerin, die dem Abend noch zusätzlichen Glanz verleiht.

Dass Mark Seibert ein Musicaldarsteller mit stimmgewaltigem Pop-/Rocktenor ist, dürfte bekannt sein. Dass er jedoch auch versteht, aus einer auf den ersten Blick recht gewagt zusammengewürfelten Setlist ein Konzert mit einem Stimmungsbogen ganz in der Tradition der großen Geschichtenerzähler unter den Rockstars zu schaffen, überrascht und begeistert zugleich. Die ernsten Inhalte von Liedern wie „One Song Glory" aus „Rent" vermittelt er eindringlich, jedoch ohne erhobenen Zeigefinger. Er überrascht mit der französischen Originalversion „C'est pas ma faute" von „Ich bin schuldlos" aus dem Musical „Romeo und Julia", in dem er zu Beginn seiner Karriere in Wien den Tybalt gab. Schön seine Interaktion mit dem Publikum, als klar wird, dass einige extra aus Wien angereist sind. Solche spontanen Worte schaffen mehr Nähe, als die einstudieren Moderationen bei oft nur allzu glatten Galaabenden. Mark Seibert ist authentisch – auch wenn dieses Wort schon etwas abgegriffen sein mag, auf sein Konzert passt es perfekt. Bei „Fields of Gold" greift er selbst zur Akkustikgitarre, und sein unerwartetes Cover von Celine Dions „Taking Chances" beendet den ersten Part.

Im zweiten Teil des Abends betritt nach „Wer viel wagt der gewinnt" aus „Aida" und „Go the distance" aus dem Disney Zeichentrickfilm „Hercules" nun auch der zweite Stargast Rob Fowler („We will rock you") die Bühne. Auch er wird mit herzlichen Worten angekündigt und mit viel Beifall begrüßt.

Was folgt, sind musikalisch schlicht die schönsten Minuten des Abends: „You'll think of me", der Nummer-eins-Countryhit von Keith Urban, „You're the Voice" von John Farnham – mit „Backing Girl" Roberta Valentini - und „Crying in the rain", im Original von den Everly Brothers, dem jüngeren Publikum wohl eher bekannt durch die Version der norwegischen Popband A-ha. Auf der Bühne stehen zwei Musiker, die spürbar jeden Ton und jedes Wort leben. Ohne Pathos und genau deshalb so eindrücklich, dass der Beifall fast kein Ende nimmt. Ganz besonders die klangvolle Harmonie der Stimmen von Seibert und Fowler beim dritten Song überzeugt auf ganzer Linie und gefällt womöglich sogar besser die weltbekannte A-ha-Version. Großen Anteil hat bei diesen Stücken, wie natürlich auch am Erfolg des gesamten Abends, das hohe Niveau und die offensichtliche Spielfreude der Band um den Pianisten und Musikalischen Leiter Markus Syperek.

Mit „Gethsemane" geht es zurück zum Musicalgenre. Seiberts Meinung, dass „Jesus Christ Superstar" eines der besten Stücke sei, die je geschrieben wurden, werden sich viele anschließen, besonders nach der fast atemberaubend zu nennenden Version, die Mark Seibert abliefert. Von sanften Tönen, leise und nachdenklich, bis hin zum Wutschrei und purer Verzweiflung zeigt er die ganze Bandbreite seines Könnens. Ein Stimmvolumen, das unendlich scheint. Eine Rockstimme par Excellence. Chapeau!

Bei „The Blower's Daughter", einem Titel des irischen Musikers Damien Rice, fallen die fast gehauchten Töne auf, die im Refrain wieder zu einem vollen Crescendo anschwellen. Auch die Kopfstimme gegen Ende fügt sich nahtlos ins stimmliche Ganze. Von Ermüdung keine Spur. Im Gegenteil, Mark Seibert scheint sich von Song zu Song immer noch zu steigen.

Bevor bei „Du bist meine Welt" aus „Rudolf – Affaire Mayerling", nach eigenem Bekunden einer seiner Lieblingssongs der Solo-CD, nochmals Roberta Valentini mit Seibert zusammen zu hören ist, wird die Frage nach der Lieblingsrolle geklärt – bzw. sie bleibt offen, denn „ich bin abergläubisch und glaube, es bringt Unglück, wenn ich es verrate". Doch da er den Tod in „Elisabeth" ja schon hat, erfährt das Publikum zumindest, dass es sich dabei durchaus um eine seiner Traumrollen handelt. Sympathisch auch, wie er in launigen Worten ausdrückt, dass er um das Leid der Fans weiß: „Da nimmt man weite Reisen auf sich, gibt viel Geld aus, dann kommt man zum Theater – und der Darsteller spielt nicht". Zustimmendes Raunen. „Also," so plaudert der künftige Tod weiter, jetzt mach' ich das mal andersrum und komm' zu Euch nach Hause". Nach diesem Abend darf man auf seine Interpretation dieser Rolle mehr als gespannt sein. Denn obwohl viele wohl insgeheim auf einen „Letzten Tanz" gehofft hatten, muss man sich noch bis zum Tourbeginn im Oktober 2011 gedulden.

Denn mit einem zehnminütigen Medley aus „We will rock you", bei dem es jetzt keinen mehr auf seinem Sitzplatz hält, endet der offizelle Teil. Frenetischer Beifall, nun doch noch untermalt mit einigen Kreischern, was ja durchaus zu einem Rockkonzert passt und Standing Ovations holen mit „Conviction of the Heart", einem Kenny-Loggins-Hit der frühen 1990er Jahre, die Mitwirkenden wieder zurück auf die Bühne. Es folgt als zweite Zugabe „Carry you home", ein Gitarrenstück mit ergreifend traurigem Text. Faszinierend, wie Mark Seiberts Stimme dem Song mehr Kontur und Tiefe verleiht, als James Blunt selbst. Und dann ist er da, der unwiderruflich letzte Song: „It's my Life" in der Akkustikversion aus Bon Jovis Album „This left feels right". Jetzt erinnert Mark Seiberts Performance sehr an Jon Bon Jovi: die Haltung, das Spiel mit dem Mikrofon. Nur eins ist anders: Mark Seibert singt diesen Song mit fantastischer Stimme. Er lässt das selbstgecoverte Original der US-Rockband um Längen hinter sich und setzt einen fulminanten Schlusspunkt unter ein begeisterndes Konzert.

Text: Sylke Wohlschiess

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