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Rezension Solo-CD: „Midlife" - Thomas Borchert

27.04.2017 - Thomas Borcherts neue Solo-CD „Midlife“ - Balladen - Gesang - Klavier

Erscheinungsjahr: 2017
Spieldauer: 44 Minuten

cd midlife thomas borchertThomas Borcherts künstlerisches Schaffen endet nicht an den Grenzen des Musicalgenres. Seit vielen Jahren ist er ebenso erfolgreich als Schauspieler, Pianist und Songwriter. Wer ihn einmal in Alessandro Bariccos großartigem Theatermonolog„Novecento – Die Legende vom Ozeanpianisten“ erlebt hat, der weiß, wie nachhaltig Thomas Borcherts Schau- und Klavierspiel bewegen und beeindrucken kann.

Gleiches gelingt mit den Eigenkompositionen auf Borcherts achter Solo-CD „Midlife“, die – so der Künstler selbst – aus der Mitte des Lebens eine neue Sichtweise auf Vergangenes und ommendes ermöglichen. Neu aufgenommen und arrangiert wurden mit „A Wandering Season“ und „The Best of Goodbyes“ zwei Titel des gleichnamigen Albums, das 1999 unter dem Pseudonym Tom Reed erschien, sowie weitere vier von der CD „Ruthless Lovesongs“ aus dem Jahr 2001. Hinzu kommen das im November 2015 unter den Eindrücken der Pariser Anschläge geschriebene „To the Sea“ und sechs neue Stücke. Sie alle vereinen sich zu einem Gesamtkunstwerk von harmonischer Schönheit und emotionaler Tiefe.

Einzelne Songs besonders zu benennen, ist beim durchgehend hohen Niveau aller Kompositionen auf „Midlife“ gar nicht so einfach. Gleich der Opener „Sorry“ wird mit seinen Tempiwechseln und dem Tonumfang zu einem Paradebeispiel für Thomas Borcherts gesangliche Virtuosität, die seinem in „Love Heals Everything“ besonders schön zur Geltung kommenden Können an den Tasten in nichts nachsteht. Die beiden 1999 erstmals veröffentlichten Lieder kann man sich gut bei einem Open-Air Konzert vorstellen, am besten in einer lauen Sommernacht, inmitten eines Lichtermeeres aus hoch erhobenen Feuerzeugen.

Jedes Lied erzählt eine Geschichte, nimmt den Zuhörer mit an eine für den Menschen und Künstler Thomas Borchert wichtige Station seines bisherigen Lebens. Viel ist die Rede von Liebe und Verlust, von Bedauern und Sehnsucht. Dennoch stimmt „Midlife“ nicht etwa traurig. Die zurückhaltende, klavierbetonte Instrumentierung, in der Streicher immer wieder bunte Akzente setzen, spürbar ehrliche Texte und nicht zuletzt Borcherts unverkennbare Stimme und sein hochemotionales Klavierspiel verbinden sich zu einer Atmosphäre tiefer Ruhe, etwas Wehmut und zuversichtlicher Gelassenheit. Die lebenserfahrenen Zuhörer werden eigenes Empfinden widergespiegelt sehen, die jüngeren lässt „Midlife“ das eine oder andere gewiss erahnen.

In allen 13 Balladen spannt Thomas Borchert locker und souverän den stimmlichen Bogen von klaren, hohen Tönen bis zu samtweich gesungenen, unglaublich berührenden Passagen. Die musikalische Bandbreite reicht von bluesorientierten Stücken bis hin zu langsamen Popnummern. Die durchweg englischen Texte drücken Gefühle auf angenehm schnörkellose Weise aus. So heißt es beispielsweise in „Butterflies“: „you make my life complete 'cause you are the missing beat“, und in „Forever“, einer zeitlos schönen Liebeserklärung, „it took a while for me to realize, that I found heaven in your deep blue eyes“.

Alle Lyrics sind im zwölfseitigen Booklet abgedruckt, hinterlegt mit stark aufgehellten Fotos von Borchert und einigen der Musiker. Gute Lesbarkeit und ein ansprechendes Layout gehen Hand in Hand. Auf einem so persönlichen Album hätte man auch deutsche Texte vermutet, aber die englische Sprache schafft hier vielleicht eine gewisse Distanz zwischen Künstler und Privatperson. Einige Songtexte stammen zudem von dem in Iowa geborenen John Reed Middleton, einem langjährigen musikalischen Weggefährten Borcherts, der schon den Text für den Song schrieb, mit dem 1988 der Bundesrockpreis in der Sparte Pop an die damalige Band der beiden ging.

Besonderheiten sind „Everything But You“ mit textlicher Reverenz an Frank Sinatras „My Way“ und die Vertonung des Gedichts „Do Not Stand At My Grave And Weep“ von Mary Elisabeth Frye. Die US-amerikanische Hausfrau hatte nie zuvor gedichtet und ihr Werk nie veröffentlicht, und doch wurden diese zwölf Zeilen weltbekannt. Thomas Borchert wählt mit diesen knapp zwei Minuten einen sehr betroffen machenden Schlusspunkt für „Midlife“, wird doch im Text sehr deutlich die Endlichkeit allen Seins thematisiert.

Sieht man dies aber in Zusammenhang mit dem im Booklet abgedruckten Zitat aus „Novecento“ - nicht die 88 Tasten eines Klaviers sind unendlich, sondern die Musik, die man mit diesen kreieren kann - wandelt sich die Betroffenheit in ein Ja zum Leben in all' seinen Facetten.

Mit „Midlife“ gestattet Thomas Borchert tiefe Einblicke in sein Seelenleben. Er singt und spielt mit einer Intensität, die ihresgleichen sucht. Die anspruchsvollen Lieder in bester Singer/Songwriter-Manier sind mit Bedacht ausgewählt, hervorragend arrangiert und in traumhafter Klangqualität produziert. Dieses Album ist ohne jeden Zweifel ein Juwel.

Text: Sylke Wohlschiess

CD-Tracklist

  • Sorry
  • Butterflies
  • Nothing Else Counts
  • Forever
  • Why
  • Silent Wall
  • Love Heals Everything
  • To The Sea
  • A Wandering Season
  • While You Are Sleeping
  • The Best Of Goodbyes
  • Everything But You
  • Do Not Stand At My Grave And Weep


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